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Szenisches Spiel zum Abendgottesdienst am 23.09.2018

Anfang und Ende von Vergebung


Personen: N: Peter Heintz; F: Freund; Radiosprecher; K: Krankenschwester; Pf: Pfarrer (steht die ganze Zeit am Lesepult (auf der Kanzel))

Requisiten: Tisch mit langem Tischtuch, 2 Stühle, 2 Gläser, Flasche Wasser, Radio, Rollstuhl, Lautsprecher unter dem Tisch mit Mikrofonkabel in die Sakristei

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N sitzt im Rollstuhl, dem Publikum zugewandt, an der schmalen Seite des querstehenden Tischs. Auf dem Tisch stehen zwei Gläser und ein Radio.

N.: Ich bin Peter Heintz., 52 Jahre alt. Wie Sie sehen, kann ich nicht mehr laufen. Bis zu meinem Unfall war ich Bauleiter. Ein guter Bauleiter. Mein Chef hat sich alle Mühe gegeben, mich in der Firma zu halten. Ich hatte einen Dienstwagen, den ich auch privat nutzen durfte. An den Wochenenden war ich meistens klettern in der Schweiz, oft mit meiner Frau und meinen Kindern. Das waren Zeiten. Da war ich noch ich selbst! - - - Dann, vor fünf Jahren: der Unfall. Im Parkhaus vom Kaufland hat so ein Vollidiot von Fahranfänger, so ein Rotzer mit 18 Jahren, mich beim Rückwärtseinparken erwischt. Mit Schwung fährt der seine Karre gegen die Wand, und ich bin dazwischen. Ich sehe noch, dass der nicht bremst, wahrscheinlich nicht mal schaut, wo er hinfährt, und da zerquetscht er meine Knie mit der Stoßstange an der Wand. - 18 Jahre, einen Monat nach der Fahrprüfung. Versteht ihr? Rangerover Defender 110, geborgt von seinem Opa. Ich kippe weg wie ein nasser Sack, schreie wie ein Tier, falle in Ohnmacht. Seitdem bin ich ein Krüppel. Das eine Knie haben sie wieder halbwegs hinbekommen mit künstlichem Gelenk, das andere Bein hat der Chirurg versaut, alle Bänder und Sehnen im Arsch, wahrscheinlich gepfuscht und geschlampert, Infektion in Rückenmarkskanal reingekriegt, deshalb Querschnittslähmung. Beruf tschüss, Arbeitsplatz tschüss, Bergsteigen tschüss. Nach zwei Jahren: Frau weg, Wohnung weg. Geld - unfähigen Ärzten sinnlos in' Rachen geworfen. Mein Leben ist ein Schrotthaufen. Ich bin ein Schrotthaufen. - - - Was richtige Wut ist, wusste ich früher gar nicht. Jetzt weiß ich, was Wut ist, und Zorn. Ja, und Bitterkeit. "Du Bitter-Sack" hat meine Frau mich genannt, an dem Tag, als sie mit den Kindern abgehauen ist, mich sitzen lassen hat nach 15 Jahren Ehe. "Papa ist ein Wutbürgermeister", hat mein Kleiner über mich gesagt. - Scheiß drauf! Wisst ihr, was mein Traum ist: Eine Dampfwalze. - - Und dann langsam, ganz langsam, von unten nach oben über Maximilian Meier. - - - Fährt ja inzwischen wieder Rangrover. Die Geldstrafe hat sein Vater bezahlt, über die 100 Stunden gemeinnützige Arbeit, hat er wahrscheinlich nur gelacht. Verflucht! Verflucht soll er sein! - weint

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Cello-Stück

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Freund kommt herein und setzt sich zu N an die gegenüberliegende Seite des Tischs.

F: Heute ist ja Sonntag. Da bringen Sie immer einen Gottesdienst. Peter, vielleicht kommst du da mal auf andere Gedanken. Hast du was dagegen, wenn ich mal Radio anmache und wir uns eine Predigt anhören?

N.: Meinetwegen.

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Freund schaltet das Radio auf dem Tisch ein. Radiosprecher spricht den Bibel-Text in der Sakristei ins Mikrofon. Der folgende Radiotext kommt aus dem angeschlossenen Lautsprecher, der unter dem Tisch steht, unsichtbar hinter dem langen Tischtuch und gut hörbar für die Gemeinde. Es sieht aber aus, als käme der Ton aus dem Radio.

Radiosprecher: Den Predigttext für diesen Gottesdienst hören wir aus dem Matthäus-Evangelium, Kapitel 18. - - - Petrus wandte sich an Jesus und fragte: »Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er immer wieder gegen mich sündigt? Siebenmal?« – »Nein«, gab Jesus ihm zur Antwort, »nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal! Darum hört dieses Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der mit dem Dienern, die seine Güter verwalteten, abrechnen wollte. Gleich zu Beginn brachte man einen vor ihn, der ihm zehntausend Denare schuldete. Und weil er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und seinem ganzen Besitz zu verkaufen und mit dem Erlös die Schuld zu begleichen. Der Mann warf sich vor ihm nieder und bat auf den Knien: ›Hab Geduld mit mir! Ich will dir alles zurückzahlen.‹ Da hatte der Herr Mitleid mit seinem Diener; er ließ ihn frei, und auch die Schuld erließ er ihm. Doch kaum war der Mann zur Tür hinaus, da traf er einen anderen Diener, der ihm hundert Denare schuldete. Er packte ihn an der Kehle, würgte ihn und sagte: ›Bezahle, was du mir schuldig bist!‹ Da warf sich der Mann vor ihm nieder und flehte ihn an: ›Hab Geduld mit mir! Ich will es dir zurückzahlen‹. Er aber wollte nicht darauf eingehen, sondern ließ ihn auf der Stelle ins Gefängnis werfen, wo er so lange bleiben sollte, bis er ihm die Schuld zurückgezahlt hätte. Als das die anderen Diener sahen, waren sie entsetzt. Sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles. Da ließ sein Herr ihn kommen und sagte zu ihm: ›Du böser Mensch! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest du da mit jenem anderen Diener nicht auch Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte?‹ - Und voller Zorn übergab ihn der Herr den Folterknechten, bis er ihm alles zurückgezahlt hätte, was er ihm schuldig war.

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N fegt das Radio mit einem derben Hieb vom Tisch und schreit: Ich denke ja nicht daran! Niemals werde ich dem Drecksack vergeben! Nie! Nicht ein einziges Mal! Hört mir auf mit solchem Scheiß! Ihr wisst doch alle gar nicht, wie das ist! Ihr wisst das nicht! Ihr Quatschköppe!

F: Radio ist kaputt!

N.: Na und?! Geht doch alles kaputt, alles den Bach runter! Soll's doch !

F: Du leidest wie ein Hund.

N.: Wundert dich das?

F: Naja, nach 5 Jahren ... Irgendwie steckst du fest.

N.: Stimmt. Und Maximilian Meier ist schuld. Und dieser Doktor. Eigentlich will ich gar nicht mehr daran denken. Ich rege mich bloß sinnlos auf.

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Krankenschwester vom Pflegedienst kommt durch die rechte Sakristei-Tür auf die Bühne.

K.: Guten Tag, Herr Heintz.! Na, wie sieht's denn hier wieder aus! Ich glaube, ich fang erstmal an mit Aufräumen und fegen, danach wechsle ich Ihre Verbände.

N.: Ich habe einen Besuch. Eigentlich stören Sie gerade.

K.: Ich störe Sie immer. Und Sie sollten froh sein darüber. Wenn Sie nämlich eines Tages niemand mehr stört, dann wird das daran liegen, dass Sie tot sind. - Was ist mit dem Radio? Ist das runtergefallen? Ist es kaputt?

N.: Kaputt. Bringen Sie's in den Müll.

K.: Oder zur Reparatur?

N.: Können Sie nicht hören? In den Müll, hab ich gesagt! Ich verlange, dass Sie mich ernst nehmen!

K.: Ich nehme Sie ernst. Ich weiß doch, in welcher Lage Sie sind.

N.: Ja, mir geht’s dreckig. Können Sie mir Nacken und Schultern massieren?

  1. massiert ihm die Schultern.

N.: Das tut gut. Und dann machen Sie heute das Bad sauber. Da sieht's aus ...

K.: Alles zu seiner Zeit, Herr N. Jetzt wollten Sie erstmal Massage. Dann bringe ich Ihren Müll runter. Dann kommt das Bad dran.

N.: Ihr Ton gefällt mir nicht.

K.: Ihrer mir auch nicht.

N.: Ich werde Sie entlassen und mir eine andere Pflegekraft suchen!

K.: Davon reden Sie seit 3 Jahren.

N.: Sie sind unverschämt!

K.: Nee, Krankenpflegerin!

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Krankenschwester gießt beiden Männern Wasser aus einer Flasche in die Gläser und geht dann mit dem Mülleimer und dem Radio vor dem Lesepult entlang in Richtung Sakristei-Tür.  Kurz bevor sie zur Tür hinausgeht spricht der Pfarrer sie an.

Pf.: Entschuldigung! Darf ich Sie mal was fragen?

K.: Ja, aber nur kurz. Bin im Dienst.

Pf.: Ich auch. Sage Sie, wie halten Sie das aus mit dem Burschen? Und nun schon 3 Jahre!?

K.: Vergebung.

Pf.: Wie genau machen Sie das?

K.: Naja. Ich mache mir immer wieder klar, dass er ein hartes Schicksal trägt. Und niemand hat ihm je beigebracht, wie er damit anders umgehen könnte als eben auf seine raue Art. Er muss mit den Verhaltensmustern durchkommen, die er gelernt hat. Ist auch für ihn die Härte! - Und ich meine: Die meiste Wut hat er ja auf sich selber. Weil er so vieles nicht mehr tun kann. Weil er weniger leistet. Dafür schämt er sich. Weil er es mit seiner Familie verdorben hat. Er ist ja intelligent genug um zu verstehen, dass er seine Frau praktisch selber aus dem Haus geekelt hat. Da schämt er sich auch für. Mit Wut reagiert er dann auf die Personen, die ihn seiner Meinung nach in die Scham gestürzt, also beschämt haben. - Mit all dem klarzukommen ist nicht einfach!

Pf.: Sie meinen: Vergebung ist Verständnis für jemanden.

K.: Ja, Verständnis! Vor allem aber: sich immer wieder an das Verständnis erinnern!

Pf.: Aber ein dickes Fell, also so einen mentalen Schutzpanzer, brauchen Sie trotzdem noch dazu?

K.: Nein, gar nicht. Dann würde ich ja nicht mehr viel von ihm merken, und Konflikte würden eskalieren. Seine Frau hat ihren Schutzpanzer immer dicker gemacht, bevor sie ihn irgendwann verlassen hat. - Nein. Für mich ist es vor allem wichtig zu wissen, wer ich bin. - Verstehen Sie?

Pf.: Nein. Erklären Sie's mir!

K.: Ich bin eine gute Krankenpflegerin, weil ich eine gute Krankenpflegerin sein will. Das bedeutet, dass ich auch mit schwierigen Patienten klarkomme und mir von denen nicht meine Identität ausreden lasse. Wissen Sie, als ich mit der Krankenpflege anfing, da habe ich mir immer wieder Vorwürfe gemacht, dass ich keine Ärztin geworden bin. Bin durch die Prüfungen gerasselt. Hab mich auch furchtbar geschämt. Und weil ich mir die Schuld gegeben habe, war ich wütend auf mich. So lange ich mir das selber übelgenommen und mich selber für eine Niete gehalten habe, so lange habe ich mich durch die blöden Sprüche von den Patienten beschämt gefühlt, und bekam Wut auf sie. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass ich eine ziemlich gute Pflegerin bin und habe gelernt, mich als Pflegerin zu mögen und zu schätzen. Seitdem kann ich auch schwierige Patienten akzeptieren ohne Groll, und sogar gernhaben. Wenn so ein Patient von einer angeblich unfähigen und blöden Pflegerin spricht, weiß ich, dass das mit mir nichts zu tun hat, sondern allein mit ihm und seinem Zustand. - So funktioniert Vergebung - bei mir.

Pf.: Sie mussten zuerst sich selbst Ihr Prüfungs-Versagen vergeben.

K.: Klar. Nur wer sich selber vergeben kann, kann auch anderen vergeben. Weil: Nur wer sich selber akzeptieren und lieben kann so wie er ist, kann auch andere akzeptieren und lieben so wie sie sind. - Also auch so schuldig wie sie sind.

Pf.: Und wie lernt man, sich selbst zu vergeben?

K.: Indem man seine Aufmerksamkeit immer weniger auf seine vermeintlichen Schwächen und Misserfolge richtet, stattdessen auf seine Fähigkeiten und Erfolge.

Pf.: Für Sie gibt es in Punkto Vergebung keine Grenzen?

K.: Natürlich hat das Grenzen! Ich bin doch kein Vergebungsautomat! Also wenn er mich gewaltsam oder unsittlich berühren oder mich in erniedrigender Weise beschimpfen würde, wäre Schluss mit Vergebung. Dann wäre ich weg. Da ist meine Grenze.

Pf.: Das heißt: Vergebung kann man lernen und üben, mehr als im ersten Moment möglich erscheint. Aber das geht nicht unendlich. Es gibt dabei auch Grenzen. Genau so sagt es ja auch der Predigttext. - Danke Ihnen für das Gespräch!

Krankenpflegerin geht raus.

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F.: Sag mal, Peter., wie lange willst du noch so weitermachen? Du hast jetzt ein anderes Leben als früher, aber du lässt dich darauf nicht richtig ein. Also wenn du mich fragst: Du gibst diesem Maximilian Meier viel zu viel Macht über dich.

N: Ja, ich habe schon inzwischen ein neues, anderes Leben. Ich habe wieder eine Arbeit. Ich habe neue Bekannte. Ich kriege Geld von der Versicherung. Aber ich kann mich an diesem neuen Leben nicht freuen. Wenn ich an mein altes Leben denke, was ich da alles konnte, dann bin ich mir selbst nur noch peinlich. - Und allein dieser Dreckskerl ist Schuld!!

Kleine Pause.

F.: Wenn du mal realisierst, was du für dein neues Leben und in deinem neuen Leben geleistet hast, was für eine Energie und Zähigkeit du da an den Tag gelegt hast, und was dir das alles gelungen ist - dann könnte dich das doch eigentlich stolz machen. Niemand hätte dir vorher diese Energie zugetraut! Du selber auch nicht!

Kleine Pause.

N.: Stimmt. Aber ich bin ein verbittertes Ekelpaket geworden bei all dem.

F.: Das bist du nur manchmal, nur oberflächlich. Schau mal: Es gab eine Zeit, in der du die Stärke deiner Energie nicht gekannt hast. Und genau so kennst du jetzt das Ausmaß deiner Liebenswürdigkeit und deines Wertes noch nicht, nicht mal ansatzweise. Schau mal: Dass ich nach wie vor regelmäßig zu dir reinkomme, liegt daran, dass ich dich immer noch mag. Ich weiß, wer du bist unter all deiner Wut und unter all deinem Unglück. Und glaubst du, dass deine Krankenschwester noch für dich arbeiten würde, wenn sie dich nicht auf irgendeine Art mögen würde?! Wenn sie nichts von deiner Liebenswürdigkeit spüren und ahnen würde? So fit wie die ist, würde die sofort woanders Arbeit finden!

Kleine Pause.

N.: Stimmt. Entschuldige. Daran hab ich nicht gedacht.

F.: Und dein großer Sohn, der regelmäßig zu dir kommt. Ich denke, der liebt dich am allermeisten. Für den bist du total wichtig. Warum? Weil da ganz viel ist, was er an dir gernhat, gern spürt! -

N.: Das ist deine Sichtweise. Aber ich merke, was ich alles nicht mehr kann,

F.: Das, was du bist, N., dein Wert, deine Liebenswürdigkeit, das hängt nicht ab von deinen Leistungen, und auch nicht davon, ob du manchmal traurig oder sehr wütend bist. Das, was du wirklich bist, der Kern deines Wesens, kann in Vergessenheit gerate oder verschüttet werden, ist aber unzerstörbar. Hörst du? Lass dich doch mal überraschen von deiner dir eigenen, aber noch nicht entfalteten Freundlichkeit und Großzügigkeit und Barmherzigkeit!

N.: Klingt gut. Aber es fällt mir schwer, mir das zu erlauben. Meine innere Stimme sagt immer: Das was ich jetzt bin, das darf doch eigentlich nicht sein!

F.: Die Stimme, die dir das sagt, hat keine Ahnung von dir! Und nicht vom realen Leben! Natürlich darf das sein, was und wie du jetzt bist! Die Pflegerin erlaubt dir, so zu sein, wie du bist. Dein Sohn erlaubt es dir. Ich erlaube es dir. Unser Schöpfer erlaubt es dir. Du darfst dir auch die Erlaubnis geben, so zu sein wie du bist, dich gern zu mögen wie du bist. Niemand verlangt von dir, dass du was anderes bist oder wirst!

N.: Außer mir! - - - Ja, ich müsste mir selber vergeben, dass ich vieles nicht mehr tun kann. Aufhören mich zu schämen, aufhören so wie früher sein zu wollen. - - -

F.: Das wäre dein Schlüssel zu einem Leben mit weniger Wut und Frust und mit viel mehr Zufriedenheit.

N.: Ein Leben ohne Wut - - - klingt verlockend!

F.: Irgendwann natürlich auch ohne Wut auf Maximilian Meier, auf ungeschickte Chirurgen und gnadenlose Ehefrauen ... - - -

N.: Also ob ich denen je vergeben kann ... - - -

F.: Nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann ... - - -

N.: Irgendwann. - Vielleicht.

N dreht sich samt Rollstuhl zur Seite und rollt ein Stück nach hinten, bis er allein und mit dem Rücken zur Gemeinde sitzt.

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Pf.: Gott, himmlischer Vater, du bist die Liebe, du bist Barmherzigkeit. Du siehst und du weißt, wie unbarmherzig wir oft zu uns selbst und zu anderen Menschen sind. Erweise du uns Barmherzigkeit, wo wir dazu nicht in der Lage sind. Sei du barmherzig zu denen, zu denen wir nicht barmherzig sein können. Vergib du uns, was wir uns nicht selbst vergeben können und vergib unseren Schuldnern, was wir ihnen nicht vergeben können. Durch dich kommt neuer Geist in unser Leben. Amen.

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Krankenpflegerin kommt wieder herein und stellt den Mülleimer ab. N. dreht sich mit dem Rollstuhl wieder nach vorn und rollt an die hintere, lange Seite des Tisches.

K.: So, Herr N., die Störung geht weiter! Hier: Ihre Zeitung aus dem Briefkasten.       
Sie legt eine Zeitung auf den Tisch und nimmt wieder die Wasserflasche, gießt nach. Sie sollen viel trinken! Trinken ist wichtig! Ich kümmere mich jetzt um Ihr Bad.

N.: Würde es Ihnen was ausmachen, sich kurz mit zu uns zu setzen, bitte.

K.: Was ist passiert?!

N.: Nichts. Gar nichts ist passiert. Ich meine: nichts Schlimmes.

  1. setzt sich an die freie Stirnseite des Tisches, gegenüber vom Freund
  2. zur Krankenschwester gewandt: Schwester, ich wollte Ihnen endlich mal Dankeschön sagen, dass Sie - trotz allem - ich meine: trotz meiner dauernden Unleidlichkeit - - also trotz meines unmöglichen Benehmens - - immer noch für mich arbeiten, also: immer noch zu mir kommen. Ich weiß das zu schätzen. Und mir ist klar, dass das alles andere als selbstverständlich ist. - Und dass ich Ihre - Ihre Aufmerksamkeit - - und - - und Ihren akkuraten Dienst - also - durch nichts verdient habe.

Kleine Pause

K.: Uups! Was soll ich jetzt sagen? Sie überraschen mich! - Also, ich meine: im ersten Moment. Im zweiten Moment denke ich: Das ist mein Job! Jede Krankenpflegerin lernt ja gleich in der ersten Ausbildungs-Woche: Wir benötigen Aufmerksamkeit und Zuwendung und Liebe dann am dringendsten, wenn wir sie am wenigsten verdient haben.

F.: Das betrifft nicht nur Kranke.

K.: Stimmt.

  1. langsam: Wir benötigen Aufmerksamkeit und Zuwendung und Liebe dann am dringendsten, wenn wir sie am wenigsten verdient haben. - - - Seltsam!

F.: Merk's dir! Und denk mal drüber nach!

  1. legt seine Hand auf Peters Hand, Krankenschwester ihre auf Peters andere Hand. So sitzen sie eine halbe Minute. Schluss. -     Cello-Stück